Aus den Berichten des Reisenden O’ Li Khan, vermutlich 1499 aufgezeichnet und
in den der Besenkammer der Volksbibliothek Turkmenbashis', Herrscher über
Babaristhan und aller restlichen Welten, wieder entdeckt.
WUNDERLICHE AVENTÜREN AUS DEM OKZIDENT - TEIL 1
Zur
westlichen Seite Wuhlistans lag einst das Land Drüben. Den
Drübenern war dieser Name jedoch zu unpraktisch. Außerdem, so meinten
sie, war er ihnen peinlich. Denn jedermann im Ausland war verwirrt und
stellte despektierliche Fragen, wenn die Drübener sagten, sie kämen von
Drüben.
Deshalb nannten sie ihr Land später Trizonien. So heißt es heute noch.
Während
die Wuhler fleißig ihr Tagwerk für ehrliches Katzengold
verrichteten, frönten die Trizonier dem Kult um kleine Papierscheine, auf
denen sie Zahlen gedruckt hatten. Je höher die Zahlen auf diesen Zetteln,
umso heiliger waren sie ihnen. Über all dem waberte der verfaulte Geruch
des Dezimalsystems.
Die Trizonier stolzierten eitel umher und verkündeten überall die
pferdefüßigen Segnungen ihres Gottes Comm. Sie gingen in ihrem Frevel
soweit, dass sie Städte und Dörfer Communen nannten, ihre Fernsprecher
nannten sie Telecommunikation, ihre Krieger hießen sie Commbatanten
(obwohl sie nicht einmal miteinander verwandt waren) und von den
allgegenwärtigen Commpjutern ließen sie sich mittels einer finsteren
Religion, die sie Commherz nannten, versklaven (einer von diesen
Commputern ließ sich später zum Commodore krönen und floh mit seinen
Getreuen auf eine Insel. Er nannte sie die Commoren. Sein Volk hieß sich
darauf hin die Commorane). Die eitlen trizonesischen Weiber jedoch
ließen sich von ständig wechselnden Commoden verwirren. Schon früh
werden die trizonesischen Kinder in das philosophische Kartenhaus der
commerziellen Religion geschickt. Völlig unschuldig fallen sie diesem
Frevel im Ritus des Communion anheim.
Einst
existierten ein paar Trizonesier, die an der Grenze Wuhlistans von
einem wärmenden und erleuchtenden Lichtstrahl Wutans getroffen wurden.
Fortan hießen sie die Zettel mit den Zahlen Teufelswerk und Droge. Die
Zahlen, so ihre Theorie, war die Dosis. Umso höher die Zahlen, umso
größer die Abhängigkeit von den Zetteln. Interessant! Doch ein kurzer
Lichtstrahl war zu wenig, und so konnten sie keine eigene Leuchtkraft
entwickeln. Heute nennen sie sich Communisten und suchen verzweifelt
nach dem Lichtstrahl der Erkenntnis.
Nur
wenigen Wuhlern war es vergönnt, den Weg nach Trizonesien zu finden.
Denn hat man die Wuhle in westlicher Richtung gequert und den großen
Wuhlewald durchschritten, kommt man über kurz oder lang in die
Steinklüfte der Mitte, ein für den waldgewohnten Wuhler
unübersichtliches Gebiet voll steinerner Labyrinthe, in denen verlorene
Seelen, Wechselbälger und Wiedergänger umherstreifen. Wendet sich der
übermütige Reisende hier nach Norden, stößt er hinter den wilden
Prenzlauer Bergen auf das finstere Königreich der Mielkomanen, in denen
die Dún Amo hausen, gemeinsam mit Orks und Untoten – ein grausames Land
vor dem man nur jeden Reisenden warnen möchte.
Der
kundige Reisende orientiert sich jedoch an dem alten Turm in der Mitte,
einst errichtet zu Ehren vergangener Herrscher. Hat man die Steinklüfte
der Mitte durchquert, so kommt man zum westlichen Tor. Dahinter findet
sich eine große Straße, geschaffen, so sagt die Legende, ausschließlich
zum Zwecke eines jährlichen Rituals, bei dem sich vielerlei seltsames
Volk zuckend, stampfend und trillernd versammelt. Dabei häufen sie
Unmengen von Unrat an, auf dem sie dann kopulierend oder erschöpft
niedersinken.Nun ja, denkt sich da der tolerante Wuhler, andere Länder andere Sitten.
Eine
große Säule inmitten eines runden Platzes kündet nun von der Karlottenburg. Ein finsteres Gemäuer, voller Raubritter und Missionare
Comms. Hier werden die sogenannten „Schwätzer“ ausgebildet, die
Propheten Comms, welche in die Welt gesandt werden, um den Geist
ehrlicher Menschen zu verwirren und Unruhe zu stiften, auf dass sich das Trizonesische Imperium diese dann ohne nennenswerten Widerstand
einverleiben möchte. Sie nannten das natürlich Communication.
So
begab es sich dann, dass einer dieser Knechte des Zwielichts auch nach Wuhlistan geschickt wurde. Bytt Schlangenzunge war ein Prototyp der
Schwätzer. Die jungen unerfahrenen Eleven in der Karlottenburg verehrten
ihn als Meister.
Nur
hatte er ein Problem: in Trizonesien war seine Art gut bekannt und
all überall waren die Posten vergeben. Nun waren die Zahlen auf seinen
Papierzetteln schon etwas kleiner geworden und so bewarb er sich denn
für diese Außenmission. Böse Zungen flüsterten, die Großmeister der
karlottenburgischen Schwätzer hätten sein Geschwafel satt gehabt. Mit
einem kräftigen Tritt hätten sie ihn vor die Tür gestoßen und ihm
hinterher gerufen, er solle sein Heil in Wuhlistan suchen. Die Wuhler
seien naiv genug für seine Künste.
Die Wuhler galten den Trizonesiern zwar als ein lustiges Völkchen
-
einige meinten sogar, ethnisch sei man entfernt verwandt - aber ansonsten
rümpften sie die Nase über die Rückständigkeit Wuhlistans.
Doch eines hatten trizonesische Abenteurer, die durch die Weiten Wuhlistans gezogen waren, mit Interesse beobachtet, das wuhlistanische
Hasenbalgspiel.
Einst
hatten die Wuhler dieses Spiel von den ihnen heiligen Katzen
abgeschaut, hatten Hasen aufgeblasen und in mit den Füßen traktierend
sich gegenseitig balgend über die weiten Wiesen der Wuhleebene
getrieben. Doch es hatte sich seit der frühen Zeit sehr verändert.
Es hatte sich rausgestellt, dass, wenn man dem Hasen vor dem Aufblasen
den Gnadenstoß gab, sich das Quietschen beim Spiel ernorm verringerte.
Der wuhlistanische Tierschutzbund WuTs reagierte erleichtert, nachdem
seine Gesetzesvorlage, dem Hasen das Maul während des Spiels zuzubinden,
abgelehnt worden war. Außerdem fanden die wulistanischen
Sporttechnologen heraus, der Balg wurde durch die ausschließliche
Verwendung der Hasenhaut um ein Vieles leichter, auf dass man weiter
schösse.
Eine
grundlegende Änderung jedoch entstand aus der Erfindung eines Herrn Wolker Bierwürg
- die Hasenwürstchen. Er verwendete die Reste des Hasen,
gründlich und sparsam wie der Wuhler so ist, natürlich alle. (Sie galten
als eine Delikatesse. Ein Zehntel Hase, zwei Zehntel naturbelassenes
Sägemehl, die restlichen sieben Zehntel bestanden aus einem Bierwürg’schen Geheimrezept – Agenten die es herausfinden sollten, haben
nie wieder darüber geredet – allerdings aßen sie auch nie wieder
Hasenwürstchen. Sobald sie eines sahen, liefen sie seltsamerweise grün an
und verließen schreiend den Ort des Geschehens.)
Hasenwürste
wurden ausschließlich zu den Balgspielen gereicht. Bierwürg
hatte jedoch ein Problem – die Weite der wuhlischen Niederungen. Hatte
ein Spiel erst begonnen, verlief sich die Menge kilometerweit über die
Wiese. Er war es leid seine Kochtöpfe und Grillstellen ständig neu zu
errichten. So ging er dann mit einer Petition zu den Weisen des
Hasenbalgs und klagte sein Leid. Ruhig und bestimmt hörten sich die
alten Männer dieses ehrenhaften Sports seine Einlassungen an. Nachdem er
gegangen war, hob ein großes Zetern und Streiten an. Nach
Kreuzbandrissen, zerbeulten Nasen, gebrochenen Schienbeinen und 5
spontan eingeführten roten Karten einigte man sich gütlich.
Es wurde das Spielfeld eingeführt.
5 mal 23 Meter lang, in der Mitte hälftig geteilt, 3 mal 23 Meter breit. An den
Stirnseiten befanden sich von nun an die sogenannten Tore. Lange
biegsame Holzstangen, deren Enden jeweils 8 Meter voneinander entfern in
den Boden gerammt wurden. Deren Scheitelpunkt, so sagte die Regel, sollte
ungefähr 2,3 m betragen.
Um
eine gewisse Übersichtlichkeit zu wahren, wurden die Mannschaften
erfunden. 8 Mannen gegeneinander. Da sich niemand mehr mal im hohen Gras
ausruhen konnte, musste man die Spieldauer einführen. Diese dauerte von
nun an 4 x 23 Minuten.
Die Wuhler waren praktische Leute, und so entstanden überall im Land
fortan solcherlei Plätze.
Doch sie wollten trotz allem auch der Religion genüge tun. Die
Spielfelder wurden nach dem Prinzip des Wuhng Schuh ausgerichtet. Immer
eine Seite zum heiligen Strom der Wuhle und die andere zum Wald.
Die
Eltern der jungen Wuhler waren vorsichtig und so ließen sie ihre
Kinder nur auf die Waldseite, auf dass sie nicht in den Fluss fielen.
Deshalb wurde gerade dort sehr viel Nasch- und Zuckerwerk verkauft und
so heißen die Wuhler das Tor auf dieser Seite heute noch Zuckertor.
Um
die Spiele herum entwickelte sich ein geschäftiges Treiben, denn viel
vergnügungssüchtiges Volk fand sich ein, und so wurden denn die
örtlichen Marktplätze zu den Spielwiesen und die Markttage auf die
Spieltage verlegt. Damit diese regelmäßig stattfänden, erfand man den
Spielbetrieb. Von nun an spielte man nach einem bestimmten Plan gegen
Mannschaften aus anderen Ortschaften. Zur Zeit der großen Wuhleflut jedoch wurde die
große Spielpause eingeführt, da oft genug die Spielwiesen überflutet
waren oder sich die Spiele sehr zäh entwickelten, wenn die Herren Spieler
knietief im Schlamm versanken.
Um
dem Ganzen ein wenig Würze zu geben, wurde jedes Jahr eine Mannschaft zu
der besten gekürt. Das machte die Sache spannend. Aber es zog auch eine
seltsame Veränderung in diesen bisher so unbedarften Sport ein. Jeder
wollte die beste Mannschaft haben und so entstand ein heftiges Feilschen
und Handeln um die besten Spieler, welches allzu oft in wüsten
Handgemengen und Entführungen endete. Drumherum kleideten sich die
Anhänger in bunten Tand, hatten allerlei Lärmwerkzeug dabei, um ihrer
Mannschaft beizustehen und sie zum Sieg zu lärmen, die sie
interessanterweise während eines Spiels jedoch stets blöde, faul und
unfähig schimpften (ein Brauch, dessen Sinn sich der Autor bisher nicht
erklären kann). Frisch gestärkt von Bier und Hasenwürsten stürzten sie
sich danach fröhlich in eine Prügelei mit den Anhängern der gegnerischen
Mannschaft. Später nannten sie sich dann Fans. Nachzuforschen bleibt
allerdings, wie alle Mannschaften davon die besten haben konnten, wie
die Spieler von welcher Mannschaft auch immer zu betonen pflegten.
Bytt Schlangenzunge traf
nun eines Tages in einer abgelegenen Provinz Wuhlistans ein. Nahe der Stelle, wo das Flüsschen Spree in den Strom Wuhle einmündet,
lag das Dorf Köpenick - fast Mitten im tiefen Wuhlewald.
Hier verdienten sich die Leute als Holzfäller, Köhler, Jäger und Förster
ihr ehrliches Brot.
Und
so war es nach einer Woche ein herrliches Vergnügen zum Hasenbalgspiel
zu gehen, um sich ein wenig vom schweren Alltag zu erholen.
Seltsamerweise gab es am Tag nach den Spielen jedoch immer eine hohe
Rate an Arbeitsunfähigen.
Natürlich
war diese kleine Gemeinde nicht mit Reichtum gesegnet. Das
widerspiegelte sich natürlich auch im Zustand des Spielfelds der
wackeren Köpenicker. Wer sitzen wollte, fand nur alte Baumstämme, die
Anderen standen umher und debattierten eifrig über das Spiel, das sie
selten sahen, da sie die meiste Zeit an Bierwürgs Wurst und
Getränkeständen zubrachten. Auch mit der Mannschaft stand es nicht zum
Besten. Aber weil die wackeren Burschen, von harter Waldarbeit gestählt,
dem Gegner fast immer einen guten Kampf lieferten, standen die Köpenicker
fest zu ihnen. Jedes mal, wenn einer der Köpenicker seinen Gegner fällte
wie einen Baum, rief man: „Ha, das macht er so eisern wie eine Axt“ (Die Köpenicker Wuhler waren stolz auf ihre ehernen Äxte, denn sie waren ihre
Erfindung!).
Kurzum, man war glücklich dort, nahe bei der Försterei - na ja, nicht
ganz. Wie es bei den Kleinen so ist, sind sie mit ihrer Größe oft
unzufrieden.
Hier
nun beginnen die eigentlichen Abenteuer des Bytt Schlangenzunge in
Wuhlistan. Doch diese werden im zweiten Teil behandelt, welcher sich
irgendwo im antiken Heizungskeller der Volksbibliothek von Barbaristhan
befinden soll, aber bisher noch nicht aufgetaucht ist. Aber nach dem Fund
einiger toter Ratten, ist man sich sicher, diesem Teil der Geschichte
auf der Spur zu sein. Wir werden sehen...
Möge
das Licht mit uns sein – Eisern Union
UNVLA!
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