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...oder die Macht der Worte
„Die Macht der Worte“ – so ist vor einem Jahr die Rede zur Verleihung des Wuhlitzerpreises überschrieben gewesen. Ihr erinnert euch? Weshalb aber erinnert ihr euch – wegen der Inhalte dieser Rede erinnert ihr euch! Deshalb, und längst nicht nur deshalb heißt diese Rede nun „Wuhlitzerpreis - die Macht der Inhalte“.
Der Inhalt an sich ist mächtig. Wir wissen das, und wir beherzigen es. Es kommt auf den Namen, auf die Bezeichnung,
auf das Etikett nicht an. Schmerzlich haben wir Sandmannen und Molatas in Erinnerung – sie trugen auf ihren Brüsten allerfeinste Etiketten – allein am
Inhalt gab es zu Bemängeln.
Von Georgi Wuhssilew ist vor einem Jahr an dieser Stelle gesprochen worden – nun ist er wieder da. Noch aber allein
als Etikett – was drin ist, was heraus kommt, das kann niemand voraussagen, das kann nur erhofft werden.
Wir kennen es anders herum: Wir nennen es schlicht und öde Kaffee, und wir spitzen doch gleich die Ohren und
wissen um den Inhalt der Tassen, die nur als Tassen bezeichnet sind, ganz
genau. Mancher hörte vor einem Jahr zum ersten Male von Schlammbowle, nahm das
Wort als Etikett, den Inhalt des Bechers aber ernst – jenen Inhalt, der es zur
Aufnahme in den Wuhden brachte.
Inhalt finden: Das ist ebenso leicht, und doch so schwer, wie das Gästebuch zu finden. Und: Gefunden und
Gefunden sind beileibe nicht das Selbe. Es bedarf eines Talentes, einen Inhalt
aufzuspüren und greifbar werden zu lassen. Es bedarf auch gewisser
Lebenserfahrung, Denken - also Mitdenken, Vorausdenken, Querdenken, Umdenken -
nachvollziehbar darzustellen. Mit der Aktion im Voraus Reaktionen zu fordern
und diese ebenso im Voraus auszuhalten, ohne absatzweise den Kopf gleich in
opportunistischem Eigenvorausgehorsam abzuducken. Will heißen – es nicht fix
allen Recht machen zu wollen. Inhaltlich, textlich – beispielsweise im
Internet. Nun ist es die Frage, ob das überhaupt geht: Denken im Internet. Sich
hier der Konfrontation mit einem bestimmten Gegenstand mittels Dessen
auszusetzen, was das Internet eigentlich nur technisch zu leisten in der Lage
ist: Dem Zuhören.
Es geht. Zuverlässig Montag für Montag dürfen und müssen wir ein Wort zum Montag lesen, genießen oder ertragen.
Das Gegenteil von Inhalt ist Aushalt – wir dürfen auch das nicht aus den Augen verlieren, es muss also auch
Inhalt dieser Rede sein. Wir müssen aushalten können. David Bergner, der am
Wochenende kommt, und das Wort, das ihm folgt.
Wort zum Montag, das heißt Lachen dürfen, wenn von Lederallergie die Rede ist – jenem furchtbaren Leiden
desjenigen, der mit Schuhen eingeschlafen ist. Das bedeutet aber auch
Nachdenken sollen, wenn gute Bücher als Beispiel herhalten, weil die Zeit an
sich einfach knapp ist. Wenn sich herausstellt, dass es nicht schaden kann,
über das Zerdeppern von Gartenzwergen zu sinnen, wenn magnitudo
animi, fides und pietas uns und einander begegnen.
Oder wenn wirkliche Reibungspunkte entstehen, und dies gerade nicht, weil Sex und
Bierholen tatsächlich doch zwei recht unterschiedliche Dinge sind, und eine
legendäre Flussdurchquerung gerade kein Kulturtipp ist.
Wort zum Montag, das ist in sich Woche für Woche
ein Blick über den Rand der Schüssel voller rotweißer Suppe, das ist
skizziertes Eigenleben, das hier und da geradezu hinterhältigen Eigensinn entwickelt,
ohne dafür Beifall zu heischen. Hier ist Interaktion gefordert: Von Gedanken,
die den Anspruch auf das eigene Rechthaben ebenso verteidigen, wie sie nackt,
bloß und angreifbar werden für das Gegenargument, für die Nachfrage, für die
anderen Seiten der Pyramide, für die 2., 3. und 4. Pfote der Katze. Interaktion
- nicht mit dem Mausklick, sondern im Mitdenken.
WzM, das ist Fleiß, der viel zu selten seinen ihm zustehenden Beifall bekommt. WzM – das sind Gedanken, die
in plausibler Lesart angeboten werden, die dann in der Formel schließen: Wem damit alles gesagt ist, für
den ist – „Und niemals vergessen...“ - dieser Kommentar hier zu Ende.
Für den, der das nicht so sehen mag, ist es eine Einladung. Denn es ist eben auch Teil
der Dreiundzwanzigfaltigkeit, es ist Bruder der Schalmmbowle, Schwester des
rotweißen Schals, Gevatter des Trainings, Freund des Käffchens hinterher. Es
ist wuhDooismus, und so ist sein Autor unbeirrbar ein fröhlicher Streiter in einer entstandenen offenen Komposition –
deren Ende hoffentlich und lange nicht in Sicht ist – die auf der einen Seite
zweifellos eine der schönsten Nebensachen der Welt berührt, und auf der anderen
Regiehinweis sein kann für das Spiel auf der Guckkastenbühne der Gegenwart, auf
der Formen und Figuren der Welt miteinander verschmelzen. Der Welt, die auch
mehr kennt, als Rot und Weiß, Schwarz und Grau. Nämlich Gelb, Grün, Rosa und
Braun, Blau und Violett.
Die Welt, die - mit der richtigen Farbe gezeichnet - ihre Poesie fühlen lässt. Auch wenn
Nichtsnutze daran herumgepfuscht haben. Schurken in bekleckstem Kittel. Die
Brechte, jene Handlanger des Dunklen, die sich an der Staffelei die Zeit
vertreiben, weil sie mit der Suche nach dem Schatten der Pyramide nicht
vorankommen. Die, die es vielleicht anzuprangern gilt, vielleicht zu geißeln.
Denen das Handwerk - welch ein hohes Wort für diese Untaten - aber gelegt wird
auf so viel feinsinnige Art. Hammer oder Amboss sein? Beides brachial, beides
zur Entlarvung der wirklichen Freunde der Düsternis aber letztendlich untauglich.
Feder oder Pergament – das ist die Antwort, und auch sie wird uns zuverlässig
gegeben. Mit der Feder eben und dennoch mit der Wucht von des Schmiedes starkem
Arm. Mit der Fähigkeit einer Ballerina, zu tanzen zwischen Barock, Renaissance und Bademantelepoche. Zu tanzen mit Mehlonardo,
Mehlacroix. Mit Mehlcent van Gips, mit Mehlovaggio und so vielen anderen einen
Reigen aufzuführen und eine Aufführung zu bieten, die uns auch hier sagt:
Inhalt, das ist viel mehr als „det, wat drinne is“. Denn Inhalt eines
Bilderrahmens ist ein Bild, ist Leinwand oder Papier, ist wo Farbe drauf ist.
Inhalt eines Bildes geht nun aber bekanntlich auch viel tiefer – das zu Lesen
ist eine wirkliche Kunst, es auszudeuten und weiterzusagen noch so viel mehr.
Wir wollen es wissen.
TeeCee
bekommt als Autor des "Wortes zum Montag" und als Galerist des
"Museum of wuhDoo-Art" den Wuhlitzerpreis 2005!
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